Was sagen Nachwuchsärzte zum Thema Künstliche Intelligenz in der Medizin?
Ein wichtiges Zukunftsthema im Bereich der Medizin ist die Künstliche Intelligenz. Doch aus Sicht einiger Medizinstudenten kommt eben genau dieser Bereich in der ärztlichen Ausbildung in vielen Fällen zu kurz. So hat es sich eine studentische Vereinigung an der Ludwig-Maximilians-Universität in München zur Aufgabe gemacht, diese Bildungslücke schließen zu wollen und gleichzeitig die Wissensvermittlung voranzutreiben. Doch worauf kommt es Medizinstudenten und der jungen Ärzte-Generation eigentlich an und welche Dinge müssen sich ändern? Auf diese Fragen werden wir in diesem Artikel näher eingehen.
Starker Vortrieb von Künstlicher Intelligenz im medizinischen Bereich
Die Künstliche Intelligenz entwickelt sich in der Medizin stark weiter. Grund hierfür sind technische Fortschritte. Eine studentische Vereinigung an der LMU in München fordert jedoch mehr Verständnistiefe unter den Ärzten, um die neuen Möglichkeiten, welche die KI bietet, auch wirklich optimal nutzen zu können.
Wie lässt sich grundsätzlich das Potenzial von Künstlicher Intelligenz im medizinischen Bereich bewerten?
Unter dem Begriff der Künstlichen Intelligenz ist eine Reihe an unterschiedlichen Algorithmen zu verstehen. Der Bereich des maschinellen Lernens ist aktuell besonders beliebt und steckt voller Potenzial. Allerdings bedarf es zahlreicher politischen und ethischen Regelungen sowie einer umfangreichen Lehre, um das medizinische Personal für die Zukunft in Sachen Künstlicher Intelligenz optimal aufzustellen.
Ausreichende Bildung in Sachen KI ist für medizinisches Personal unverzichtbar
Im Optimalfall können sich Ärzte mehr Zeit für ihre Patienten nehmen, da die Künstliche Intelligenz viele Routineaufgaben übernimmt. Wenn die Möglichkeiten der KI jedoch nicht optimal genutzt werden, verursachen Algorithmen im schlimmsten Fall mehr Arbeit, wenn sie beispielsweise systematisch bestimmte Personengruppen bevorzugen. Um solche Probleme zu vermeiden, ist eine ausreichende Bildung des medizinischen Personals in Sachen KI eine wesentliche Voraussetzung.
Welche Routineaufgaben kann die Künstliche Intelligenz übernehmen und damit Ärzte entlasten?
Im Bereich maschinellen Lernens ist vor allem die Bildverarbeitung ein attraktiver Aspekt. Als Beispiel kann die Einschätzung von Leberflecken dienen. Durch viele Unternehmen und Forschungsgruppen lassen sich in dieser Hinsicht inzwischen erstaunliche Ergebnisse erzielen, wie beispielsweise in den Bereichen Dermatologie, Radiologie und Pathologie.
Doch auch in Sachen Verarbeitung von Sprach- und Labordaten sind in den vergangenen Jahren spannende Fortschritte zu beobachten gewesen. Es lässt sich also durchaus vorstellen, IT-Systeme an Kliniken in der Zukunft mit neuen Funktionen zu belegen, die gewisse Routineaufgaben übernehmen können. Allerdings ist dies überwiegend noch Zukunftsmusik und aktuell bzw. in den nächsten Jahren ist die Künstliche Intelligenz wohl eher als Unterstützung anstatt als gleichwertiger Helfer einzustufen.
Kann man mit den Entwicklungen im Bereich Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen in Deutschland zufrieden sein?
Aktuell ist einiges in Bewegung. Im Jahr 2018 hat die Bundesrepublik Regierung zum Beispiel ein Förderprogramm verabschiedet, um Datenverfügbarkeit, Anwendbarkeit sowie Forschung von Algorithmen zu forcieren. Zusätzlich schreibt man neue Professuren für Künstliche Intelligenz aus und die Zahl an KI-basierten Medizinprodukten steigt in den Zulassungsstellen spürbar an. Dazu gesellen sich noch zahlreiche Startups, die mit neuen Ideen die Künstliche Intelligenz in der Medizin anwendbar machen wollen.
Welche Probleme gibt es beim Voranschreiten der Künstlichen Intelligenz in der Medizin?
Zahlreiche Studien können belegen, dass die Künstliche Intelligenz in der medizinischen Praxis noch nicht wirklich angekommen ist. Als Beispiel kann man die Integration der Inhalte in das Medizinstudium anführen, die zum großen Teil noch ausbleibt. Aktuell mangelt es an Weiterbildungsprogrammen für interessierte Mediziner und zugleich gestaltet sich der Einzug der Technologie in den klinischen Alltag als schwierig.
Welche Gründe und Barrieren gibt es für die stockende Entwicklung?
Patientendaten sind stets ein sehr sensibles Thema, sodass es schwierig ist, große Datensätze zu sammeln und für die Entwicklung und Forschung im medizinischen Sektor zur Verfügung zu stellen. Nach wie vor als Goldstandard gelten randomisierte, kontrollierte-prospektive Studien über verschiedene Zentren und Krankenhäuser, die bislang aber nach wie vor selten sind. Somit fehlt es an der notwendigen Evidenz.
Dazu gesellen sich noch rechtliche Fragen, beispielsweise, wer zur Verantwortung zu ziehen ist, wenn ein Fehler passiert. Ist die Schuld nun bei den Ärzten oder bei den entwickelnden Unternehmen zu suchen? Wie sieht es mit Zulassungsprozessen von Algorithmen nach einem Update der Software aus? Letztlich gilt es auch in die Überlegungen einzubeziehen, dass das menschliche Verständnis von der entsprechenden Technologie bisher nicht ausgereift ist.
Beispiele für typische Probleme im medizinischen Alltag der Künstlichen Intelligenz
In den vergangenen Jahren konnte man immer wieder beobachten, dass Algorithmen diskriminierend sein können. Als Beispiel dient ein Algorithmus des Online-Versandhandels Amazon. Dieser hatte die Aufgabe, auf Grundlage von Lebensläufen zu entscheiden, welche Bewerber vom Unternehmen eingestellt werden sollten. Letzten Endes wurden hauptsächlich Männer vorgeschlagen, ganz einfach da die Künstliche Intelligenz im Trainingsdatensatz gelernt hatte, dass in den vergangenen Monaten bzw. Jahren häufiger Männer eingestellt wurden.
Auf die richtige Einschätzung der Mediziner kommt es an
Der Algorithmus von Amazon hat somit Vorurteile mit erlernt, was vor allem im medizinischen Bereich fatale Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Ärzte müssen also in der Lage sein, Die Ergebnisse Künstlicher Intelligenz richtig zu beurteilen und zu nutzen. Außerdem möchten Mediziner die Prognosen eines Algorithmus auch nachvollziehen können. Wichtig ist also Transparenz, also zum Beispiel Antworten auf die Fragen, mit welchen Daten eigentlich trainiert wurde oder was der Algorithmus macht und warum.
Welche Rolle spielen ethische Fragen im Bereich der Künstlichen Intelligenz in der Medizin?
Wichtig ist es, dass Praxen und Kliniken gleichermaßen eine faire Behandlung für jeden Patienten gewährleisten, ohne systematische Ungerechtigkeit oder Benachteiligung einer bestimmten Personengruppe. Dabei gilt es also zu überlegen, was ein Algorithmus alles entscheiden darf. Die gesamte Digitalisierung in der Medizin muss daher durchdacht und geregelt ablaufen.
Wie lässt sich mehr Vertrauen für die KI in der Medizin herstellen?
Aufklärung ist natürlich ein wesentlicher Faktor hierfür. Erklärt ein Arzt seinem Patienten beispielsweise eine App oder ein anderes neues System, muss er sein Wissen auch gut an den Patienten transportieren können. Dies setzt jedoch voraus, dass das medizinische Personal seinerseits sehr gute Kenntnisse über die App bzw. das System hat. Bereits heute sieht man jedoch in vielen Praxen oder Krankenhäusern, dass sich das Personal bereits mit der aktuellen Praxissoftware schwer tut. Aus diesem Grund braucht es in Sachen Künstliche Intelligenz sehr viel Dokumentation und Schulung.
Ein Beispiel für aktuelle Künstliche Intelligenz: Wie sind Apps für das Handy zu bewerten?
Einerseits bieten medizinische Apps eine hervorragende Möglichkeit, um Patienten unkompliziert und schnell eine gewisse medizinische Versorgung zu ermöglichen – auch im Hinblick auf präventive Medizin. Andererseits sollte man beim Umgang mit computerbasierten Diagnosen stets Vorsicht walten lassen, da die Spezifität und Sensitivität von Algorithmen niemals absolute Perfektion erreichen kann. Verlässt man sich als Patient also ausschließlich auf solche Apps, sind gefährliche Fehldiagnosen möglich.
Patienten müssen über die Grenzen von Apps aufgeklärt sein
Jedem Patienten sollte bei der Nutzung von medizinischen Apps klar sein, dass diese lediglich eine Einschätzung abgeben können, eine Überprüfung durch medizinisches Fachpersonal aber stets notwendig ist, um etwaige Diagnosen zu sichern. Unternehmen sind daher in der Verantwortung, in entsprechenden Apps klar zu kommunizieren, dass es sich lediglich um einen Algorithmus handelt, der das Aufsuchen eines Arztes nicht ersetzen kann.
Aussicht auf die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz im medizinischen Bereich
Unter Künstlicher Intelligenz wird sich die heutige Medizin in jedem Fall verändern. Wichtig ist es für medizinisches Personal, zu realisieren, was Künstliche Intelligenz ist, welche Möglichkeiten und welche Grenzen sie mit sich bringt. Wenn dem so ist, lässt sich die Technologie korrekt einschätzen und Bedenken in Sachen Zuverlässigkeit und Sicherheit richtig bewerten.
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Quelle: Februar 2022 HEALTHRELATIONS Deutscher Ärzteverlag präsentiert: Marken. Macher. Trends.