Ping an Health – Ein chinesisches Vorbild für Telemedizinplattformen
Künstliche Intelligenz wird in den folgenden zehn Jahren die Medizin und das Gesundheitswesen weitgehend durchdringen. Dies ist unter anderem die Aussage renommierter Forschungsprojekte. Die Anfänge dieser Entwicklung haben wir bereits alle erlebt – ob nun bei der hausärztlichen Routine oder bei einem Aufenthalt im Krankenhaus oder einer anderen medizinischen Einrichtung. Sämtliche Beteiligten sehen sich daher mit der Aufgabe konfrontiert, sich auf Veränderungen einzustellen und Strategien für den Einsatz und den Umgang von Künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen vorzubereiten. Dies betrifft sowohl den Bund als auch Wissenschaftler und praktizierende Ärzte.
Wie sieht der Einsatz von KI in der Theorie aus?
In der Theorie spricht man von einer flächendeckenden Einbindung Künstlicher Intelligenz in ambulante und stationäre Behandlungen. Diese Künstliche Intelligenz soll optimale Lösungsansätze für die Prävention und Therapie von Erkrankungen liefern.
Wie sieht es in der Praxis aus?
Aktuell lässt sich in der Praxis noch nicht von einer umfangreichen ambulanten Versorgung durch Künstliche Intelligenz sprechen. Größere Krankenhausketten nehmen inzwischen zwar durchaus KI-Lösungen in Anspruch; die Vorteile Künstlicher Intelligenz überwiegen jedoch bislang keineswegs in ländlicheren Kliniken oder Arztpraxen. Es ist zudem anzunehmen, dass kostspielige Technologien vermehrt für klinische Notfallsituationen oder eine stationäre Betreuung verwendet werden als für einen gewöhnlichen Gesundheitscheck beim Hausarzt.
China als Vorbild für den Einsatz Künstlicher Intelligenz?
Werfen wir einen Blick in die Volksrepublik China. Dort beschränkt man sich hinsichtlich der KI-Medizin nicht auf die stationären Vorteile, sondern bezieht bereits heute fortgeschrittene Technologien in die ambulante Versorgung ein. Als Paradebeispiel dafür dient die Gesundheitsplattform Ping an Health, mit der wir uns in diesem Artikel näher beschäftigen wollen.
Ping an Health – mehr als eine einfache Software für gesundheitliche Dienstleistungen?
Es ist bekannt, dass die Corona-Pandemie seit ihrem Ausbruch im Jahr 2020 nicht nur die chinesische Wirtschaft, sondern die gesamte Welt vor große Herausforderungen gestellt hat. Im Zuge der Pandemie verbreitete sich aber nicht nur der Virus rasant, sondern auch die digitale Transformation im Bereich der medizinischen Industrie. So ergaben Studien beispielsweise, dass die Nachfrage nach telemedizinischen Dienstleistungen in der Volksrepublik China durch die Corona-Pandemie sprunghaft angestiegen ist. So verzeichnete die Software für gesundheitliche Dienstleistungen, Ping an Health, im Zeitraum zwischen 2019 und dem Jahr 2020 ein Wachstum seiner Nutzerzahlen um beinahe 900 Prozent (!).
Was steckt hinter Ping an Health?
Bei Ping an Health handelt es sich um ein Unternehmen, das sich auf Gesundheitssoftware spezialisiert hat. Das Unternehmen bietet eine Plattform, die rund um die Uhr medizinische Dienstleistungen offeriert. Das Angebotsspektrum beginnt bei Online-Beratungssitzungen über Überweisungen und Terminvereinbarungen bis hin zur Lieferung von Medikamenten. Zudem ist auch eine Rehabilitationsberatung oder ein langfristiges Management von chronischen Krankheiten über die Plattform möglich. Bis Ende 2020 konnte Ping an Health mehr als 373 Millionen Registrierungen von Patienten verbuchen. Damit ist Ping an Health weltweit die am häufigsten genutzte Telemedizinplattform.
Wie steht es um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei Ping an Health?
Der große Erfolg des Unternehmens erklärt sich durch ein cleveres Servicemodell. Hierbei kombiniert man die Expertise von Fachärzten mit Künstlicher Intelligenz. In seinem Umfang ist die Software damit ein Pionier. Ping an Health besitzt ein internes Team mit mehr als 1.800 Ärzten. Zusätzlich bestehen Verträge mit mehr als 5.000 externen Medizinern.
Was sind die Ziele des Angebotes von Ping an Health?
Ziel des Modells ist es seit jeher, mit einem inneren ärztlichen Team und dem Einsatz Künstlicher Intelligenz eine dauerhaft verfügbare Unterstützung zu gewährleisten, wobei man sehr viel Wert auf eine größtmögliche Effizienz für Ärzte und Patienten gleichermaßen legt. Ausgehend von dieser ambitionierten Zielsetzung bietet Ping an Health inzwischen drei Unteranwendungen auf seiner Plattform an. Auf diese werden wir in den folgenden Abschnitten näher eingehen.
1) AI Doctor: Ein Diagnose- und Behandlungssystem, das von Künstlicher Intelligenz gestützt wird
Das Diagnose- und Behandlungssystem AI Doctor wurde von Ping an Health im Jahr 2015 eingeführt. Seine Aufgabe ist es, die Wartezeit für Patienten zu verkürzen und relevante Informationen an den zuständigen und kompetenten Arzt weiterzuleiten. Bearbeitet werden die erforderlichen medizinischen Kenntnisse und die notwendigen Informationen mithilfe einer medizinischen Wissensdatenbank.
Mehr als 700 Millionen Datensätze als Grundlage für AI Doctor
Als Grundlage für die Programmierung von AI Doctor bediente man sich knapp 700 Millionen Konsultationsdatensätzen. Aufgrund dieser enormen Datenmenge kann AI Doctor vorläufige und zugleich präzise Diagnosen erstellen. Nachdem der Patient sein Geschlecht, sein Alter sowie die aktuellen Symptome eingegeben hat, ist das KI-gestützte System dem Patienten dabei behilflich, einen geeigneten Arzt zu finden. Dieser Vorgang dauert nur wenige Minuten. AI Doctor gilt als populärstes Angebot von Ping an Health und entsprechend als Aushängeschild im Sektor der medizinischen Künstlichen Intelligenz.
2) Private Doctor
Im Jahr 2019 veröffentlichte Ping an Health ein weiteres KI-Produkt auf dem Markt. Private Doctor ist als umfassender und hochwertiger Gesundheitsdienst zu verstehen. Grundlage hierfür bildet die Beratungsexpertise von Ping-an-internen und externen Ärzten. Der externe Expertenpool besteht hierbei aus Ärzten der bekanntesten Krankenhäuser des Landes. Private Doctor beinhaltet einen Rund-um-die-Uhr-Service sowie einen synergetischen Mehrwert von Fachwissen. Dabei möchte die Dienstleistung über das gewöhnliche Angebot von medizinischen Onlineberatungen sowie Terminreservierungen hinausgehen. Private Doctor möchte das persönliche Gesundheitsmanagement von Patienten noch autonomer gestalten. Zum Beispiel gibt es die Option, sich eine zweite fachärztliche Meinung einzuholen. Der Patient besitzt jederzeit Einsicht in die eigene elektronische Gesundheitsakte und kann sich Gesundheitsdiensten bedienen, die genau auf sein Profil zugeschnitten sind.
3) One Minute Clinic
Bei der One Minute Clinic handelt es sich um ein intelligentes medizinisches Offline-Terminal, das ebenfalls im Jahr 2019 von Ping an Health veröffentlicht wurde. Dieses Produkt verfolgt die Devise einer „Praxis ohne Personal“. Neben den telemedizinischen Leistungen bietet das Terminal weitere Funktionen, wie etwa die Messung des Blutdrucks und der Körpertemperatur. Hierdurch lässt sich das Bedarfsprofil des Patienten zusätzlich anreichern.
Wie ist der Ablauf bei der One Minute Clinic?
Der Patient kommuniziert bei der One Minute Clinic zunächst per Spracheingabe und kann dabei wichtige Informationen angeben, wie beispielsweise seine hauptsächlichen Symptome. Im Anschluss verbindet AI Doctor ihn dann mit der zuständigen Fachabteilung.
Wenn die Verbindung zum Facharzt hergestellt wurde, unterstützt AI Doctor den Patienten bei allen weiteren Prozessen, etwa bei der Verschreibung eines Rezeptes. Medikamente, die vor Ort gelagert wurden, kann der Patient im Anschluss direkt mitnehmen. Die Künstliche Intelligenz begleitet dabei den kompletten Beratungsprozess, wodurch sich die Effizienz der Behandlung maximieren lässt.
Bis Ende des Jahres 2020 wurde die One Minute Clinic bereits in 52 Städten im gesamten Land eingerichtet und von mehr als drei Millionen Patienten genutzt.
Wie steht es um die Zukunft von Ping an Health?
Das ehrgeizige Ziel von Ping an Health ist es, die größte medizinische Plattform im Internet zu werden. Damit man dieses ambitionierte Ziel erreichen kann, möchte das Unternehmen seine Dienste, Kompetenzen und Kanäle ausweiten und internationalisieren. Im Fokus soll dabei weiterhin das bisherige Erfolgsmodell „Künstliche Intelligenz und inneres ärztliches Team“ stehen.
Fazit: Bis heute gibt es in Deutschland nur einzelne Beispiele für die Einbindung von Künstlicher Intelligenz in die ambulante Versorgung. Ein Blick nach China lohnt sich also, denn dort zeigt Ping an Health bereits seit Jahren, dass KI-Lösungen abseits der stationären Nutzung sehr viel Potenzial in sich bergen. Außerdem beweist der Erfolg des Unternehmens die Zeitmäßigkeit und Relevanz dieser Entwicklung. Vor diesem Hintergrund betrachtet, dürfte es spannend zu beobachten sein, welche Auswirkungen der angekündigte Internationalisierungsprozess mit sich bringen wird.